Steingutgeschirr aus der Oberpfalz
- eine fast vergessene Industrieproduktion

Wenn von Industrie in der Oberpfalz die Rede ist, wird nahezu automatisch die früher bedeutende Eisenproduktion erwähnt und mit dem eingängigen Begriff "Ruhrgebiet des Mittelalters" benannt. Sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen haben die Geschichte und Erzeugnisse dieser ehemals so wichtigen Produktion erschlossen und zugänglich gemacht.

Anders verhält es sich mit der umfangreichen Industrieproduktion in der Oberpfalz für den "Kleinverbraucher"des 19. und 20. Jahrhunderts: das Porzellan und das Steingut. Die oberpfälzer Porzellanindustrie mit ihren meist preiswerten Erzeugnissen, erinnert sei an das bekannte Bauscher-Hotel-Porzellan, wurde wiederholt durch Ausstellungen und Kataloge zumindest dem interessierten Fachpublikum zugänglich. Doch das funktional verwandte Steingut aus der Oberpfalz ist nur noch wenigen Menschen bekannt oder gar vertraut.

Was ist denn Steingut technologisch gesehen? Es ist in seiner Masse (der "Scherben") so weiß wie Porzellan, aber im Kern so porös wie die Irdenware der Hafner. Meist wird es farblos glasiert wie Porzellan und Irdenware. Aber das Steingut zeigt durch seine Verzierung mit dem technisch aufwendigen, feinteiligen Umdruckdekor deutliche qualitative Unterschiede zu den genannten Keramiken. Steingut wurde auch vielfach bemalt, aber im Gegensatz zur handwerklichen Irdenware mit ihrem meist gelben, rötlichen oder braunen Grund immer auf weißer Fläche. Das geschah meist mit pflanzlichem Dekor und seltener mit einfachen geometrischen Linien und Kreisen wie beim Hafnergeschirr. Steingut wurde wie Porzellan immer industriell hergestellt und nie handwerklich.

Im 19. Jahrhundert und bis nach dem 2. Weltkrieg verwendete man Steingutgeschirr als wichtiges Tisch- und Küchengeschirr zunächst in allen vornehmen, dann bürgerlichen und zum Schluss fast nur in einfachen Haushalten. Wer kennt nicht die Ziergeschirre mit den schwarzen, blauen und grünen Ansichten der als Reiseziel so berühmten Burgen und Schlösser am Rhein?

Die Steingutproduktion war im 19. Jahrhundert neben den weithin exportierenden Baumann'schen Amberger Emailwerken ("Löwen-Email"?) ein bedeutender Industriezweig der Oberpfalz, der nur noch im Schwarzwald (Hornberg, Schramberg, Zell) einen gleich bedeutenden Erzeugerbereich hatte. Von weit überörtlicher Bedeutung waren zweifellos die Steingutfabriken in Amberg, Hirschau, Schwandorf-Schwarzenfeld, aber auch in Reichenbach und in Regensburg. Warum erscheinen bei manchen Geschirren dieser Firmen eingebrannte Widmungen in kyrillischer Schrift, wenn nicht für den Export in den Balkan? Vergessen sind die kleinen Betriebe in Mayrhofen und Kelheim und Steinsberg.
Was waren die Anlässe dieser so zahlreichen Firmengründungen? Neben anderen Ursachen, wie z. B. das Beschäftigen von Anlernkräften ohne Facharbeiterstatus für niedrige Löhne und preiswerte Brennstoffe, kommt das umfangreiche Vorkommen von hochwertigen Kaolinlagern in der mittleren Oberpfalz als zentraler Auslöser hinzu: unverzichtbarer Rohstoff für die Steingutproduktion. Noch heute wird das Kaolin in Hirschau umfangreich als Rohstoff abgebaut und genutzt. Auch dies ist sicher eine Ursache, dass das in Niederbayern bis ca. 1900 etwa im Kröning so erfolgreiche Hafnerhandwerk in der Oberpfalz schon sehr früh im 19. Jh. vom Steingut und vom Amberger Email in großem Maß zurückgedrängt wurde.

Die mittelständische Steingut-Industrie produzierte für den täglichen Bedarf. Die riesige Verbreitung der Steingutgeschirre legt also die Frage nach der Verwendung und den tatsächlich genutzten Formen nahe. Steingutgeschirr wurde im Haushalt in erster Linie als Tischgeschirr jeglicher Art verwendet: vom Schaustück an der Wand bis zum Tischgeschirr am Mittagstisch. Die erhaltenen Verkaufskataloge zeigen seitenweise einfaches weißes Gebrauchsgeschirr. Undekoriert wurden sie jedoch kaum erhalten oder gar gesammelt. Die „Entsorgung“ über den Gartenzaun war die übliche Methode.
Freilich sind in den oberpfälzischen Museen und privaten Sammlungen - trotz der "Entsorgung" - zahlreiche Produkte aus oberpfälzischen Steingutmanufakturen erhalten.

Die Erforschung des Steinguts ist unübersehbar ein Wissensdefizit der oberpfälzischen Wirtschafts- und Konsumgeschichte. Eine sorgfältige Aufarbeitung steht bisher noch aus, doch wurden Grundsteine zur wissenschaftlichen Erforschung dazu bereits bei einer kleineren Fabrik gelegt (Reichenbach).